Franken im März 2012

Von Ratsherren, Fürstbischöfen und schlafenden Riesen – der „Weinladen on tour“ in: Franken

wirsching_220x189Mitte März hieß es wieder einmal „Weinladen Schmidt on tour“. Unsere Reise führte uns zu unseren fränkischen Weingütern Hans Wirsching und Max Müller und hatte mit der Vorstellung der neuen Jahrgangskollektion im Hause Wirsching einen höchst erfreulichen Anlass.
Nach entspannter Anreise schufen wir uns im rustikal-gemütlichen „Deutschen Hof“ (nur wenige Meter vom Weingut entfernt) eine gute Grundlage für die anstehende XXL-Probe. Angesichts von Lammbraten, Schweinerücken und Saiblingsfilet war die Wahl der Weinbegleitung eine anspruchsvolle Übung. Nicht aus Fantasielosigkeit, sondern aus Vorfreude fiel die Wahl auf einen …einen Wirsching-Silvaner und wir wurden belohnt: Die 350 Jahre alte Leitsorte der Region konnte schon im „Warm up“ als Wunderwaffe und Allroundtalent glänzen.

Die anschließende Jahrgangspräsentation, die das Weingut Wirsching für ihre guten Kunden und Händler anbietet, bestätigte das, was wir vom 2011er gehört, gelesen und bereits probiert hatten: mineralische, kraftvolle und komplexe Weine mit dem Silvaner als Punktsieger. Wenn denn der strenge Maifrost und der durchwachsene Frühsommer ein Charaktertest waren, so haben ihn die Trauben in den Toplagen Kalb, Kronsberg und Echter-Berg bestens bestanden und wurden mit hochsommerlichen Temperaturen im September und Oktober belohnt. Zum Verkostungszeitpunkt im Frühjahr können insbesondere die Gewächse aus dem Kalb ihre Stärken ausspielen: die Weine sind früher zugänglich mit transparenter Frucht und schon jetzt sehr ausgewogener Art.

Aber auch trans-silvanisch hat das Weingut einiges zu bieten: neben dem Riesling sind dies vor allem die Scheurebe, die regelmäßig den Preis für die „beste Nebenrolle“ verdient sowie der saftige Bacchus Kabinett und die elegante Gewürztraminer Spätlese vom Kalb. Sehr spannend die verschiedenen Ausbaumethoden vom Riesling aus dem Julius-Echter-Berg (hier hat es uns der Sponti besonders angetan) und die drei „Selektionsversuche“ vom Riesling aus dem Kalb. Apropos Selektion: Das Weingut hat sich als eines der ersten in Deutschland eine schweineteure Selektionsmaschine geleistet, die sich bei den Top-Erzeugern in Bordeaux und Burgund bewährt hat. Die Trauben werden „abfotografiert“ und mit einem Höchstmaß an Zuverlässigkeit selektioniert. Der Qualität und Reintönigkeit der Wirsching-Gewächse wird das zusätzlich gut tun…
Die überaus gelungene Veranstaltung hätte auch unter der Überschrift „Tradition und Moderne“ stehen können. Ob Gutshof, Flaschenformen oder Weinstil – das Haus Wirsching zeigt mit viel Einfühlungsvermögen und Geschmack, wie sinnlos die Alternative „traditionell o d e r modern“ für ein jahrhundertealtes Weingut ist. Eine spannende Phase.

muschelkalk_220x189Am späten Nachmittag des 12. März ging’s weiter nach Volkach, wo uns Rainer Müller in seine Weinberge führte. Volkacher Ratsherr, Escherndorfer Lump und Sommeracher Katzenkopf – was für schöne und großartige Lagen. Die Böden hier im „Maindreieck“ sind von Muschelkalk geprägt und verleihen den Weinen eine einnehmende Filigranität, Mineralität und Frische. Da wir nicht nur visuelle Typen sind, sondern auch „liquiduelle“ (gibt’s das?), wurden uns in den jeweiligen Lagen die entsprechenden Weine gereicht. Solche Lektionen verstehen wir immer noch am besten 🙂

Die Individualität, Ausgewogenheit und Terroirbetonung von Rainer Müllers Weinen ist über die Jahre immer größer geworden. Und wenn sich die beiden Söhne Christian (Geisenheim-Absolvent) und Toni (im ersten Ausbildungsjahr beim Weingut Schäfer-Fröhlich, jetzt im zweiten bei Philipp Kuhn in der Pfalz) noch mehr einbringen, muss man sich um die Zukunft von Max Müller I schon mal gar keine Sorgen machen.
Mit Moni und Rainer Müller verlebten wir einen genussreichen und rundum vergnüglichen Abend. Gute Gespräche, feines Essen, tolle Weine – wie praktisch, zu unserem Hotel Kreuzer nur über die Straße rollen zu müssen. Die Warmherzigkeit und Natürlichkeit der Müllers wird noch lange in uns nachhallen.

Am Dienstagmorgen hieß es „back to Iphofen“, wo uns Andrea Wirsching-Ebert und Dr. Uwe Mattheus zunächst durch die Keller des Weinguts Wirsching führten. Und wieder begegnet uns das Motto „Tradition und Moderne“: ein ehrwürdiger, spätmittelalterlicher Keller neben einem schicken, modernen Barriquelager. Mit Frau Wirsching ging’s anschließend noch raus in die Natur, genauer: in die „Grosse Gewächs-Lage“ Julius-Echter-Berg. Namensgeber war ein Würzburger Fürstbischof zur Zeit der Gegenreformation, der es mit den Iphöfer Trauben besser meinte als mit den Protestanten. Die Böden bestehen hier aus Gipskeuper (kennt man auch im Fellbacher Weingut Aldinger) und Einlagerungen von grünem Schilfsandstein. Der wärmespeichernde Ton des Keupers und der vor eisigen Winden schützende Eichenwald des Schwanberges ermöglicht die Erzeugung eleganter und dennoch kraftvoller Weine. Der Schilfsandstein sorgt für die unverwechselbare Würze.
Erhaben liegt er vor uns, dieser noch bräunlich-gräuliche Weinberg und scheint die noch soeben verdeckten Frühjahrskräfte in sich zu tragen. Ein schlafender Riese. Ganz und gar lebendig und munter präsentieren sich die Silvaner, die wir vor Ort probieren: ein 2008er Grosses Gewächs aus dem Kronsberg, ein 2006 GG aus dem Echter-Berg und als Krönung eine 1990er TBA aus dem Kalb. Wirklich riesig!

Beseelt stiegen wir wieder in die „Zitrone“, um Richtung Heimat zu fahren. Die TBA blieb noch bis zum Hermsdorfer Kreuz am Gaumen…

Mit dabei waren:
Anja Schmidt (Geschäftsführung/ Marketing)
Carsten Schmidt (Juniorchef)
Dietmar Schmidt (Seniorchef)
Jürgen Lund (Gastronomieberater)
Matthias Dathan (Sommelier & Gastronomieberater)
Hartmut Gerlach (Einkauf & Disposition)
Detlef Bittner (Leiter der WLS-Filiale Reichsstraße)
Christoph Arend (Redaktion & Öffentlichkeitsarbeit)

Text & Fotos: Christoph Arend

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