Montag, 9. März 09 „Der Veltliner-Tag“
Besuchte Weingüter: Pfaffl, Hirsch, Loimer
Abendessen im Loisium (Langenlois)
Übernachtung Cobaneshof (Gobelsburg). Die freundlichen Gastgeber besitzen auch ein Weingut. Eine Gelegenheit, die Weine zu probieren, gab es allerdings nicht. Man kann nicht alles haben…
Weingut R & A Pfaffl
Leicht verspätete Ankunft (in Österreich tut sich momentan nicht nur einiges im Wein-, sondern auch im Straßenbau). Für die Pfaffls ging es noch nie richtig bergab, vielleicht haben sie deshalb keinen uralten Weinkeller, in den man hinabsteigen kann. Stattdessen führt uns Roman Pfaffl jun. durch eine höchst moderne, ebenerdige Kellerei. Alles wirkt hier klar strukturiert, wie die Pfaffl-Weine eben… Dann geht’s ins Haus der Pfaffls, dessen helle, freundliche Atmosphäre perfekt mit der warmherzigen und offenen Art der Familie harmoniert. 1978 besaßen die Pfaffls gerade 0,5 ha Rebfläche, heute sind es satte 70 und die Pfaffls spüren, dass die Grenze für ein Familienunternehmen mit höchsten Qualitätsansprüchen erreicht ist. Während Roman sen. der Titel „Mister Veltliner“ zugesprochen wurde, scheint sich Roman jun., dessen önologischer Einfluss jährlich wächst, die Auszeichnung „Mister Vielfalt“ erarbeiten zu können. Die neue Kollektion präsentiert sich mit einer Geschlossenheit und stilistischer Sicherheit, die wirklich beeindruckt. Und das gilt ausdrücklich auch für die Roten. Ein Highlight der Verkostung war der Veltliner Zeiseneck Jahrgang 1994. In seiner Feinheit und Frische ist er ein liquides Mahnmal für alle Jungweinjunkies. Man trinkt so was ja viel zu selten…
Interessant auch die Wiederentdeckung der Wiener Weine (spritzig-frische Weißweincuvée Wien.1 und ihr kirschig-saftiges, aus Zweigelt und Pinot Noir bestehendes Pendant Wien.2) Wir haben sie heuer profilierter und ausdrucksstärker wahrgenommen als zuletzt. So ’ne Hauptstadtweine gehören eigentlich auch nach Berlin!
Die angedachte „Kleinigkeit“ zum Mittag erwies sich als üppiges Menü, dessen Genuss durch die Anwesenheit der Familie Pfaffl noch gesteigert werden konnte.
Verkostungsnotiz:
2007 Grüner Veltliner Hundsleiten
[Steiler und steiniger Weinberg (die Arbeit dort ist „hundsn“) mit Lössanteilen und 30 Jahre alten Reben. Lese Ende Oktober/ Anfang November.] Dichter, extraktreicher Wein mit schüchterner Säure und klarer Aromatik, am Gaumen opulent mit saftigem Finish.
Fazit:
Das Weingut ist uns wirklich wichtig – alles sehr beeindruckend! Selbst wenn die Weine Schrott wären, man muss sie mögen, die Pfaffls…
Weingut Hirsch
Gut, dass wir ein Navi dabei hatten, denn der Weg zum Weingut Hirsch war für uns alle neu. Mit Johannes Hirsch begegnet uns ein Mann der leisen Töne. Schnell wird einem klar: guter Typ! – mit einer beeindruckenden Glaubwürdigkeit und Konsequenz. Bei Hirsch kommt zum ersten Mal auf dieser Reise das Thema Biodynamie auf und wird uns bis zum Schluss beschäftigen. „Der Winzer darf sich nicht über die Natur setzen“, sagt Hirsch und „Wein muss zugelassen werden, nicht gemacht.“ (wir sorgen dafür, dass er auch getrunken wird). Das sind Sätze, die den nachdenklichen Johannes Hirsch widerspiegeln. Sätze, die sympathisch wirken in einer Zeit der Designerweine und Natur vergessender Urbanisierung. Der Hirsch ist schon ein schräger Vogel: Wenn er etwas für richtig hält, zieht er es durch, ohne Rücksicht auf Verluste. Er war einer der ersten in Österreich, der komplett auf den STELVIN-Drehverschluss setzte (wir können bezeugen, dass er seinen Weinen gut tut!). Das einflussreiche Falstaff-Magazin sah den Untergang des Abendlandes gekommen und ließ sich gar zu einem Kaufboykott der Hirschweine hinreißen. Hirsch egal! Nicht schräg genug? Kurz nachdem „Vinum“ ihn zum besten Rotweinerzeuger des Kamptals kürte, erntete er keine Rotweintrauben mehr, sondern nur noch fragende Blicke. Er ersetzte die roten Sorten durch Veltliner und Riesling. Gaisberg und Heiligenstein verlangen eben danach. Diese und nur diese beiden Weine will er machen! Hirsch hat auch keine Phobie vor dem vermeintlich verkaufshemmenden Begriff „lieblich“ auf dem Weinetikett. Wenn die Natur die Gärung aufhören lässt, kommen die Weine eben nicht ganz so trocken daher…
Der herrlich frische „Hirsch TV“ ist eine gelungene Einstiegsdroge mit witzigem, jährlich wechselndem Etikett. Die „Großen Gewächse“ besitzen eine seltene Sorten- und Lagentypizität. Wir alle sind dankbar für diese Neuentdeckung und werden sie sicher im Auge behalten!
Verkostungsnotiz:
2006 Grüner Veltliner Lamm
[Name kommt von Lehm (Lösslehm) – perfekt für Veltliner.]
Weiße Johannisbeeren, wunderbar salzig-mineralisch, saftig, große Länge – sehr ausdrucksstark
Fazit:
Man zieht irgendwie beseelt weiter! Da „schraubt“ sich ein kapitaler Hirsch nach oben! Was hier im Kamptal so alles heranwächst…die Wachau muss sich warm anziehen!
Weingut Loimer
Mit Fred Loimer stand als nächster Programmpunkt eine Ikone des Kamptals auf unserem Programm. In Berlin konnte man ihn zuletzt auf unserer Hausmesse der „VinTage 2008“ bewundern, doch Winzer und Wein am Entstehungsort erleben zu können, hat einen unvergleichlichen Reiz. Dass sich Fred Loimer so viel Zeit für uns nahm, ist ihm hoch anzurechnen, denn in ihm steckte noch der Jetlag einer Amerikareise. (Überhaupt scheinen in diesen Tagen Österreichs Winzer Airlines mit Transatlantik-Flügen zu subventionieren) Los ging’s erstmal mit einem Kellerrundgang, der von der sehr charmanten (und natürlich auch kompetenten!) Theresa Hager geleitet wurde. Wieder im modernen Verkostungsraum angekommen, begann eine Degustation, die uns noch lange in Erinnerung bleiben wird! Schon die Terrassen-Weine (die Stufe zwischen Gutswein und Lagenwein) kommen derart blitzsauber und ausdrucksstark daher, dass man hochwertige Einzellagenweine im Glase wähnt. Selbige sind denn auch ganz großes Kino, bei dem der Film nicht lang genug sein kann! Die Veltliner (ausschließlich aus den Spitzenlagen Käferberg und Spiegel) sind finessenreich und verführerisch schmelzig, ohne fett zu sein. Die Rieslinge (aus den Lagen Seeberg und Steinmassl) ließen uns schlicht vom Glauben abfallen. Nämlich vom Glauben, dass es fast unmöglich ist, in Deutschland Riesling aus Österreich zu vermarkten. Auch sie sind stoffig und opulent, unterscheiden sich aber in ihrer grazilen Art von vielen Wonneproppen der Wachau.
Bei Loimer kann man nicht nur zum Terroiristen werden, sondern auch zum Etikettentrinker. Die sehr gelungene Ausstattung stammt vom Architekten des neu errichteten Winelofts, Andreas Burghardt. Auf dem Vorderetikett findet man keine Rebsortenangabe, die Herkunft ist Loimer wichtiger als alles andere. Übrigens: Das Motiv auf den Loimer-Labeln ist weder ein Kobold noch eine platt gefahrene Smaragdeidechse, sondern ein Fruchtbarkeitssymbol (als Persiflage von Adelswappen).
Als seien die Loimer-Weine aus dem Kamptal nicht genug, haben wir dann auch noch die Schellmann-Weine aus der Thermenregion verkostet. Die Trauben des Weinguts (welches Fred Loimer gerade komplett übernommen hat) werden in kleinen Kisten ca. 100 km ins Kamptal transferiert und im Langenloiser Weingut vinifiziert. Sie sind nicht die großen Persönlichkeiten wie die Kamptaler, der Spaßfaktor der (teilweise aus uralten einheimischen Traubensorten wie dem Zierfandler gekelterten) Schellmann-Weine ist aber sehr hoch! Familie, zwei Kinder, zwei Weingüter, wie viel Stunden hat eigentlich der Tag bei Fred Loimer…
Verkostungsnotiz:
2007 Grüner Veltliner Terrassen
Glasklare Aromatik, transparente, animierende Frucht, nervige Säure, dichte, feine Textur, mineralischer Nachhall
Fazit:
Wir sind 20 Weine glücklicher! Fred Loimer gilt nicht nur unsere höchste Anerkennung für eine grandiose Kollektion, sondern zugleich unser herzlicher Dank für ein wundervolles Abendessen (der Tafelspitz war Spitze) im „Loisium“. Wenn es einer schaffen kann, die Berliner vom österreichischen Riesling zu begeistern, dann Fred Loimer!