08.08.10 – Weingut Ziereisen

Die Schweiz zum Greifen nahe

ziereisen_220x189Unsere zweite Station führte uns in den äußersten Südwesten. Dass hier die Schweiz zum Greifen nahe ist, spürt Hanspeter Ziereisen auch bei seiner Kundschaft, die zum größten Teil eidgenössisch ist.

Irgendwie muss man wohl im Südwesten unseres Landes von einem anderen Ölvorkommen ausgehen als in der märkischen Sandbüchse, denn auch beim zweiten Winzer heißt der wichtigste Weinberg Ölberg. Doch ähnlich wie Henrik Möbitz verzichtet Ziereisen auf Lagenbezeichnungen auf dem Etikett. Seine Weine tragen stattdessen Fantasienamen oder sind nach Parzellen benannt. Wie muss man eigentlich drauf sein, wenn man einen Wein „Zunderobsi“ nennt?! Hanspeter Ziereisen selbst ist die Antwort. Wie seine Reben ist auch er tief verwurzelt im Markgräflerland. Wer mit diesem unverstellten Mann ins Gespräch kommt, lernt nebenbei auch einiges über seine Heimat kennen und erhält einen „Schnellkurs“ im Markgräfler Dialekt. „Zunderobsi“ ist hier der Begriff für ein Durcheinander und für Ziereisen der Name einer überaus gelungenen Cuvée aus Syrah und Spätburgunder. Beim Verkosten der Weine gab es eine – zumindest bei uns seltene – Einmütigkeit: Authentische, faszinierende, teils herausfordernde Persönlichkeiten. „Lecker ist langweilig!“ sagt Ziereisen und seine Weine bestätigen ihn Schluck um Schluck. Kontrovers wird es nur zugehen, wenn es um die Listung für’s Weinladen-Sortiment geht, alles haben geht eben im richtigen Leben nicht.

Zwischendrin nahm mich Ziereisen zur Seite: „Ich zeig Ihnen mal was…“ Als ginge es um eine geheime Geliebte, führte er mich ums Haus. In der Garage stand ein alter VW Käfer, also ein ganz alter! Seine Leidenschaft für dieses betagte, pechschwarze Schmuckstück, was sich auf Grund der guten Behandlung unglaublich neu präsentierte, hat durchaus Symbolkraft für den Winzer Ziereisen. Ein Wein teilt dem Genießer seine wahre Seele, wenn er denn eine besitzt, nur als gereifter mit!

Das Rad hat Hanspeter Ziereisen nicht neu erfunden, den Gutedel aber irgendwie schon, unfassbar was er aus dieser Rebsorte herausholen kann. Für den Spätburgunder gilt das ja sowieso, aber auch bei den Rebsorten mit Migrationshintergrund ist es ein genussvolles Vergnügen, vom Glauben abzufallen: Chardonnay und Syrah vom Allerfeinsten!

Ganz lang nachhallen wird dieser Besuch nicht zuletzt wegen der so warmherzigen Aufnahme durch die Familie. Beim gemeinsamen Abendessen im Gutshof (u. a. mit selbstgemachten Kartoffelsalat von Hanspeters Vater!) beehrte uns auch die mittlerweile 101jährige Uroma Martha. Ergreifend schön!

Nach einem ersten, sehr intensiven Tag und einem wundervollen Abend war mal wieder klar: Der Tag ist immer gleich lang, aber unterschiedlich breit!

Back to the top

Log in